Die unsichtbare Verschmutzung – Mikroplastik in Ackerböden
Plastik: So bezeichnet man alle aus Erdöl produzierten Kunststoffe, die aufgrund ihrer kostengünstigen Herstellung, Langlebigkeit sowie der vielseitigen Verarbeitungsmöglichkeiten in der Industrie verwendet werden – 400 Millionen Tonnen weltweit pro Jahr! Egal ob Müllsäcke, Lebensmittelverpackungen, Fahrzeuge, Elektrogeräte oder Möbel, in fast jedem Produkt ist Plastik verarbeitet.
Da wundert es nicht, dass Jürgen Bertling vom Institut Fraunhofer UMSICHT in einem WDR-Interview 2021 preisgab, dass man allein in Deutschland rund 23,5 Millionen Tonnen Kunststoff im Jahr verbraucht. Ein Großteil des dadurch anfallenden Plastikmülls wird zwar recycelt, doch wir Menschen schaffen es immer wieder, dass enorme Mengen an Kunststoff in der Natur landen. Viele kennen die erschreckenden Bilder aus den Nachrichten: ganze Plastikteppiche treiben über die Ozeane – der schwimmende Tod für zahllose Meeresbewohner.
Über 19.000 Tonnen Kunststoffmüll pro Jahr
Was viele jedoch nicht wissen: Plastik verseucht nicht nur die Meere, sondern sorgt auch direkt vor unserer Haustür – auf Deutschlands Ackerböden – für eine bis dato kaum erforschte Umweltkatastrophe. Nach der Studie „Kunststoffe in der Umwelt: Emissionen in landwirtschaftlich genutzte Böden“, die im Auftrag des NABU von Fraunhofer UMSICHT und Ökopol im Jahr 2021 veröffentlicht wurde, werden nach ersten Abschätzungen über 19.000 Tonnen Kunststoffmüll pro Jahr in die deutsche Landwirtschaft getragen.
Die Forschungsergebnisse zeigen, dass rund 80 % dieser Kunststoffemissionen außerhalb der Landwirtschaft entstehen und größtenteils in Form von Mikroplastik auf die Felder gelangen. Etwa über den Klärschlamm aus Kläranlagen. Dieser wird von Landwirten als Düngeralternative verwendet, da er viel Phosphat, ein wichtiger Nährstoff für das Pflanzenwachstum, enthält.
Klärschlamm und Kompost voller Kunststoffrückstände
Vor allem enthält der Klärschlamm nach Angaben der Studie aber Unmengen an Kunststoffrückständen: Abrieb von Autoreifen und Fassaden sowie jegliche Form von Plastik, die wir etwa über unser Abwasser in die Kläranlagen spülen. Insgesamt über 8.300 Tonnen Mikroplastik gelangen so jährlich auf die Ackerböden. Nach Angaben des Landesamts für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV) wird die Ausgabe von Klärschlamm zwar schon reduziert, jedoch reicht dies nicht. Die Zahlen der Studien zeigen deutlich, dass ein komplettes Verbot von Klärschlamm als Düngeralternative von Nöten ist, um die Flora und Fauna der Ackerböden zu sichern!
Ein weiterer von außen eingetragener Plastikherd ist unser Bio-Abfall, der als Kompost ebenfalls von den Bauern als Düngemittel verwendet wird. Durch unsere schlampige Mülltrennung tragen wir Mitschuld daran, dass so jährlich über 1.200 Tonnen Plastik auf die deutschen Äcker geraten. Ganz zu schweigen vom Littering, dem illegalen Entsorgen von Müll: rund 5.800 Tonnen Plastikabfall werden nach Angaben der Forscher pro Jahr auf die Felder geweht. Diese Form der Umweltverschmutzung muss aufhören! Ein Schritt in die richtige Richtung könnte die anstehende Erneuerung der Bioabfall-Verordnung sein, deren Gesetzesentwurf – nach Angaben des LANUV – dem Bundesrat bereits vorliegt.
Umweltschädliche Methoden in der Landwirtschaft
Und obwohl ein Großteil des Mikroplastiks von außen in die Landwirtschaft getragen wird, ist ein nicht zu verachtender Anteil durch die Bauern hausgemacht. Eigentlich sollte der Ackerboden das höchste Gut eines jeden Landwirtes sein, jedoch wird bei der Bewirtschaftung der Felder immer wieder auf umweltschädliche Methoden gesetzt. Ein Beispiel: die Verwendung von Folienabdeckungen beim Spargel- und Erdbeeranbau. Den Bauern helfen die Folien zwar dabei, die Erntezeiten zu regulieren und ihre Erträge vor Tieren zu schützen, doch für den Ackerboden hat diese Methode fatale Folgen. Desto länger die Folien auf den Feldern eingesetzt werden, desto mehr nutzen sie sich ab. Die abgetragenen Folienstücke gelangen so direkt in die Böden.
Dort gesellen sie sich zum Plastik, dass der Bauer direkt in die Erde einsät. Kaum zu glauben, aber wahr: Viele Landwirte benutzen Saatgut, dass mit einer Polymerschicht ummantelt ist! Diese Hülle fungiert nicht nur als Schutzschicht und Regulator für Nährstoff- und Wasserzunahme, sondern vergröbert auch die Oberfläche der Samen, damit diese leichter maschinell verteilt werden können. Nach Ermittlungen der Studie werden allein durch das beschichtete Saatgut 87 Tonnen Kunststoff in die Ackerböden eingetragen – die Aussaat unserer Nahrung verschmutzt die Umwelt!
Fatale Folgen
Doch welche Auswirkungen hat das Mikroplastik auf die Ackerböden? Für den Menschen gibt es aktuelle noch keine nachgewiesenen gesundheitlichen Folgen. Doch nach Angaben des LANUV ist davon auszugehen, „dass Mikroplastik je nach Größe, Form und Konzentration eher negative Effekte im Boden, z. B. auf die Bodenaggregation, die Vitalität und Aktivität von Bodenorganismen wie Mikroorganismen, Springschwänze, Nematoden oder Regenwürmer sowie auch die Pflanzenentwicklung (Keimung und Sprosshöhe) auslöst.“
Für viele Ackerböden sei es, so Jürgen Bertling, bereits zu spät: „Eigentlich müssen die Böden abgetragen und endgelagert werden.“ Auf den betroffenen Feldern könne man zwar noch lange anbauen, aber laut Studien seien Böden mit 0,1 Prozent Kunststoffbefall nicht mehr marktfähig, so der Wissenschaftler. Diese Entwertung des Bodens könne im schlimmsten Fall in weniger als zwei Jahrzehnten stattfinden.
Gegenmaßnahmen
Es muss also dringend etwas getan werden, um unsere Ackerböden zu retten. Neben dem umgehenden Verbot der Klärschlammausbringung, ist ein wichtiger und richtiger Schritt, die Problematik „Mikroplastik in Ackerböden“ weiter zu erforschen. Glücklicherweise werden nach Informationen des LANUV bereits neue Forschungsprojekte angestoßen. So plane das Umweltbundesamt (UBA) derzeit eine umfangreiche Untersuchung im Rahmen der Erfassung der Hintergrundgehalte von Mikroplastik in landwirtschaftlichen Böden in Deutschland. Darüber hinaus laufe in NRW ein Projekt, in dem „unter anderem Fragen zur Qualifizierung, ökotoxikologischer Bewertung sowie der Entwicklung von Substitutions- und Vermeidungsstrategien beantwortet werden, um den Eintrag von Kunststofffragmenten in die Umwelt zu reduzieren“, so das LANUV.
Auf die Forschungsergebnisse müssen dann aber auch Taten folgen: Zum Beispiel die Senkung der Grenz- und Schwellenwerte für Kunststoffe als Fremdstoffbestandteil in Produkten, sowie schärfere Begrenzungen der zulässigen Abbauzeiten. Die Landwirte müssen aktiv dabei mithelfen, den Mikroplastikeintrag zu verringern, in dem Sie auf naturfreundlichere Anbaumethoden setzen. Darüber hinaus ist eine Verbesserung des Plastik-Recyclings unausweichlich. Hier muss sich auch jeder von uns an die eigene Nase fassen und mehr darauf achten, das Plastik vom Bio-Müll zu trennen. Wenn jeder Einzelne einen kleinen Beitrag leistet, kann dies zusammen große Auswirkungen haben!